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Montag, 11. April 2011

Attacke auf Schiri, aber "Täter" wehrt sich


Nur eine Woche, nachdem es rund um ein Kreisliga-Spiel der A-Junioren in Lübeck zu gewalttätigen Vorfällen kam (Spieler des Türkischen SV und des TSV Travemünde prügelten sich im Kabinengang und provozierten einen Polizeieinsatz), stand der Amateurfußball in der Hansestadt am Sonntag vergangener Woche erneut unrühmlich im Blickpunkt. Nach Abpfiff des Spitzenspiel der Kreisliga Lübeck/Lauenburg zwischen dem Lübecker SC 99 und Grün-Weiß Siebenbäumen (0:1) kam es zu einem Eklat.

Schiedsrichter Boris Hoffmann (VfL Bad Schwartau) lag plötzlich am Boden (wir berichteten). Der Unparteiische, auch Kreis schieds rich ter ob mann im KFV Lübeck, war mit LSC-Spieler Achmed Sirdah aneinander geraten. Was genau passiert war? Darüber gibt es unterschiedliche Aussagen. Fakt ist jedenfalls, dass Hoffmann ins Krankenhaus eingeliefert wurde, wo ein Schädel-Hirn-Trauma diagnostiziert wurde. Bis zum Dienstag blieb der 38-Jährige in der Klinik. Die Ermittlung der tatsächlichen Vorkommnisse wird nun vor allem der Polizei und dem Sportgericht überlassen sein. Hoffmann jedenfalls stellte Anzeige wegen Körperverletzung. Das Spiel selbst wurde dabei von allen Seiten als unproblematisch beschrieben. "Es war ein richtig gutes Fußballspiel ohne besondere Vorkommnisse", erklärte Hoffmann. Thomas Hornberger, Fußball-Abteilungsleiter beim Lübecker SC, bestätigte das: "Der Schiedsrichter hat das Spiel im Griff gehabt und wurde von den Mannschaften akzeptiert."

Nach dem Abpfiff jedoch kam es zur Eskalation. "Der LSC-Spieler mit der Nummer 9 kam auf mich zu und beleidigte mich", beschrieb Hoffmann. "Daraufhin zeigte ich ihm die Rote Karte." Bis hierhin gibt es auch keine Diskussion. "Sirdah hat die Beleidigung zugegeben", sagte Hornberger. "Dafür hat er sich auch entschuldigt und will auch die Konsequenz in Form einer mehrwöchigen Sperre tragen." Eine körperliche Attacke auf den Schiedsrichter, die wohl eine wesentlich längere Sperre und strafrechtliche Konsequenzen zur Folge hätte, bestreitet der Libanese jedoch. Diese weist jedoch der Bericht des Schiedsrichtergespanns aus. Hoffmann selbst konnte diesen nicht verfassen. "Von den entscheidenden Momenten weiß ich nichts mehr", erklärte der Referee. Mehrere Minuten lang war der Schiedsrichter bewusstlos. "Er hat völlig apathisch dagelegen", beschrieb Hornberger. Die Schiedsrichter-Assistenten, die den Sonderbericht verfassten, beschrieben jedoch eine Kopfnuss des Spielers Sirdah gegen den Schiedsrichter. Gegen diesen Vorwurf wehrt sich der Spieler jedoch. "Er hat uns gegenüber in einem Gespräch ruhig und sachlich geschildert, dass nichts vorgefallen ist", sagte Hornberger. "Wir sehen es als Verein als unsere Pflicht an, dem Spieler Unterstützung zukommen zu lassen, bis der Vorfall endgültig geklärt ist." Der Verein schaltete einen Anwalt ein, und auch Sirdah selbst beauftragte einen Juristen und stellte seinerseits Strafanzeige wegen Verleumdung gegen Hoffmann. Vom Spiel- und Trainingsbetrieb wurde Sirdah bis zur Klärung der Vorfälle suspendiert. Sollte sich herausstellen, dass der Spieler tatsächlich gegen den Unparteiischen tätlich geworden ist, sei jedoch ein Vereinsausschlussverfahren die naheliegendste Konsequenz.

Das Bestreiten der Vorwürfe als solches könnte noch als reine Schutzreaktion bezeichnet werden - welche andere Chance hätte der Spieler sonst, einer saftigen Sperre zu entgehen? Doch das Gerichtsverfahren könnte durch Zeugenaussagen noch interessant werden. LSC-Funktionär Hornberger, der selbst als Stadionsprecher das Geschehen nur aus der Ferne beobachtete und sich kein eigenes Urteil bilden konnte, berichtete von mehreren Zeugen, die gesehen haben wollten, dass eigentlich "gar nichts passiert" sei. Darunter seien auch Spieler des Gegners Siebenbäumen und der anwesenden Mannschaft von AKM Lübeck. Insgesamt waren rund 300 Zuschauer auf der Sportanlage an der Thomas-Mann-Straße. Dass die Folgen eine andere Sprache sprechen, gestand auch Hornberger. "Ein Schädel-Hirn-Trauma ist aber eine Diagnose, die Ärzte durchaus auch mal nur aufgrund der Schilderungen des Patienten stellen", warf er ein. "Da sollten die Untersuchungsergebnisse Klarheit verschaffen können." Wunden oder Blutergüsse, die eine Attacke unzweifelhaft nachweisen könnten, gibt es nicht. Das bestätigte auch Hoffmann, der sich aber wehrt: "Es kann nicht sein, dass aus dem Opfer jetzt der Täter gemacht werden soll." Auf seiner Seite weiß er unter anderem Claus Singelmann. Den Vorfall selbst sah Siebenbäumens Trainer zwar nicht. Er war jedoch derjenige, der sich um den bewusstlosen Hoffmann kümmerte. "Ich hatte Angst, er könnte seine Zunge verschlucken. Er hat keine Regung gezeigt", beschrieb der Coach, der daraufhin seinen Betreuer mit der Eisbox rief. "Wir haben ihm Eiswasser ins Gesicht gekippt. Aber er hat immer noch nicht gezuckt." Da war Singelmann sicher: "Das kann man nicht simulieren."

Derzeit ist somit davon auszugehen, dass Sirdah einer Strafe vor dem Sportgericht, wo Aussagen der Schiedsrichter im Zweifel den Ausschlag geben, kaum entgehen kann. Offener erscheint - je nach Qualität der Zeugen - die Beurteilung eines ordentlichen Gerichts. Folgen für den LSC wird der Vorfall wohl so oder so kaum haben. Die Mannschaft fiel zwar schon durch die eine oder andere Unsportlichkeit auf (Vorletzter in der Fair-Play-Wertung). "Für die Tat eines Einzelnen könnten wir nicht verantwortlich gemacht werden", sagt Hornberger zu Recht. Hoffmann, der in 22 Jahren als Schiedsrichter keinen derartigen Vorfall erlebte ("Einmal wurde ich angegriffen, das war aber weniger schlimm"), war noch "schockiert" über die Eskalation, reagierte aber auch gefasst. "Ich werde sicher einige Wochen Pause machen." Danach will er weiter pfeifen. "Ich werde doch nicht vor solchen Einzeltätern kapitulieren." (Quelle: www.shz.de, Christian Jessen)