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Berichte über unseren geliebten Amateur-Fußball aus dem Herzogtum Lauenburg, der Hansestadt Lübeck und der Verbandsliga Süd-Ost... und natürlich aus dem Mutterland des Fußballs...

Montag, 12. April 2010

Manchesters Fanprotest in Gold und Grün

Die geplante Geiselbefreiung

Newton Heath (heute ein Stadtteil von Manchester) ist der Geburtsort des Newton Heath Lancashire and Yorkshire Railway FC, der später zum Fußballklub Manchester United wurde. Der Verein wurde 1878 in diesem Ortsteil gegründet. 1902 wurde der Name in Manchester United FC umbenannt, die Trikots waren gelb-grün. Ein alter Spitzname von Manchester United ist „die Heathens“ aufgrund ihrer Herkunft.

In Manchester erhebt sich immer größerer Widerstand gegen die United-Besitzer. Der grün-goldene Fanprotest und die »Red Knights« wollen den Klub zurückerobern. Ein langer Weg mit ersten Erfolgen. Als David Beckham an seiner alten Wirkungsstätte in Manchester als Spieler des AC Mailand das Feld betrat, erhob sich das Stadion zu Standing Ovations. Eine Huldigung der United-Fans an ihren Helden, den Jungen, der aus der eigenen Jugend kam und in Manchester zum Shootingstar der Neunziger wurde.

Doch auch Beckham hat seine alte Liebe nicht vergessen, bedankte sich nach dem Spiel artig bei den Zuschauern. In diesem Moment warf ihm ein Fan einen grün-goldenen Schal entgegen. Beckham nahm ihn auf und verließ mit dem Schal um den Hals das Old Trafford. Kein normaler Abschied aus einem Stadion, das Bild wurde zu einem Symbol einer Fanprotestbewegung. Die grün-goldene Revolution hatte ein prominentes Gesicht bekommen. Der Aufschrei der Fans in Manchester war aber schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu überhören. Viele im Stadion trugen gegen Milan grün und gold, die Farben des Vereins, aus dem Manchester United hervorgegangen ist. Grün und Gold steht nun für die Protestbewegung der Fans gegen die Eigentümer des Vereins, die Glazer-Familie. Innerhalb weniger Wochen sind die Mitgliederzahlen der Organisation, die den Widerstand einleitete, explodiert und erreichen einen sechsstelligen Bereich. In England sind die Anhänger auf den Barrikaden, die Willkür der Investoren erfährt ihre öffentliche Geißelung.




Der Glazer-Familie wurde zum endgültigen Verhängnis, dass im Januar Dokumente an die Öffentlichkeit kamen, an deren Veröffentlichung die Amerikaner wohl kein großes Interesse gehabt haben dürften. Zu diesem Zeitpunkt schuldete der Verein den Banken 509 Millionen Pfund, für die Umschuldung reiste eine United-Delegation mit einem 322-Seiten-Prospekt umher. Ein Anleihegeschäft mit mehr als fünfzig Investoren zu jährlichen Zinsen von neun Prozent klappte, die Schulden wurden zunächst getilgt. Doch Dokumente wurden öffentlich, sie belegen, dass die Glazers es bei der Unterscheidung zwischen privater und Klub-Kasse nicht so genau nehmen.

Das Anleihegeschäft bietet laut englischen Zeitungsberichten den Glazers die Möglichkeit, ihre eigenen Verbindlichkeiten durch Gelder, die eigentlich für den Verein gedacht waren, zu tilgen. Zudem gewinnen sie durch den Deal mehr Freiheiten darin, wie sie mit den Gewinnen des Klubs verfahren können. »Im Zuge des Anleihegeschäftes mussten die Glazers ihre Pläne offen legen. Die Fans hatten schon vorher die Befürchtung, dass sich die Glazers am Klub bereicherten. Doch nun gab es Beweise«, sagt Duncan Drasdo, Sprecher der grün-goldenen Protestorganisation, genannt »MUST« (Manchester United Supporters Trust).



Die Flamme des Protestes war entzündet und eine zusätzliche Meldung kippte noch einmal Spiritus darüber. Eine Gruppe wohlhabender United-Fans aus Investmentbankern und hochrangigen Managern entschloss sich, Geld zusammenzulegen, um den Glazers den Verein abzukaufen. Das ist gerade deswegen beachtlich, weil sich die erforderliche Summe wohl bei einer Milliarde Pfund einpendeln könnte. Doch konkret weiß man das nicht.

Der Geschäftsführer des Vereins, David Gill, wiegelte direkt ab. Es werde keinen Verkauf geben, egal wie hoch das Angebot auch sei. »Reine Taktik«, meint Drasdo von MUST. »Hätten sie gesagt, dass sie verkaufen, würde der Preis fallen.« Es mutet also ein bisschen wie ein Flohmarkt-Geschacher an, wenn echte Liebhaber Sammlerstücke von Großhändlern erwerben wollen. In englischen Zeitungen ist an manchen Tagen die Rede von 800 Millionen Pfund, die Glazer zum Verkauf bewegen könnten. An anderen Tagen spekuliert man über höhere Summen.

Glazer könnte aber momentan wenig Interesse an einem Verkauf haben, da englische Klubs immer noch auf eine gewaltige Einnahmequelle schielen. Die Vereine konzentrieren sich darauf, die selbständige Vermarktung der Fernsehrechte zu forcieren. Dies wäre vor allem im Hinblick auf den asiatischen Markt ein Geldregen, auch wenn dieser Schritt schon seit vielen Jahren erfolglos angepeilt wird.



Nichtsdestotrotz bleibt es ein absoluter Anreiz für Amerikaner im Goldrausch. Denn bisher wurde United an jedem Euter gemolken, das es hat. Als Glazer seine Übernahme im Jahr 2005 mit einem Darlehen finanzierte, schrieb er die Tilgung eben jenes Darlehens auf den Verein um. Seither muss der Klub jährlich mit 20 Millionen Pfund bluten. Zudem stiegen die Preise für die Eintrittskarten seit Glazers Übernahme um sechzig Prozent. »Früher waren sehr viele junge Leute im Stadion, das hat sich stark verändert, weil die meisten sich die Tickets nicht mehr leisten können«, sagt Duncan Drasdo.

Bereits bei der Übernahme des Vereins gab es Proteste. United-Anhänger gründeten den FC United of Manchester und wendeten sich vom Manchester United Football Club ab. Charlie Clark war einer derjenigen, die dem entwurzelten Hauptverein den Rücken kehrten. Dem jetzigen Aufbegehren blickt er mit Skepsis entgegen: »Die meisten Fans beschäftigen sich nicht mit solchen Themen, sie interessieren sich nur für die Ergebnisse auf dem Rasen. Meistens hält der Protest dann nur so lange, bis der Verein wieder Erfolge feiert. Dann wird alles vergessen.« Peter Spencer vom »Manchester Evening Standard« schlägt in einem Fernsehbeitrag der »EuroNews« in die gleiche Kerbe: »Solange der Verein die meisten Spiele gewinnt, gibt es nur wenig Aussicht auf eine richtig große Rebellion.«



So sieht Charlie Clark den strauchelnden FC Liverpool als nächsten Kandidaten für einen Fanaufstand. Doch gerade Misserfolg und Verzweiflung waren es auch, die so manchen englischen Klub in die Arme von halbseidenen Investoren trieben. Nottingham County, der Viertligist, der innerhalb weniger Monate dreimal den Besitzer wechselte und nun vor einem riesigen Schuldenberg steht, ist so ein Fall.

Ebenso der FC Portsmouth, vor zwei Jahren noch stolzer FA-Cup-Sieger. 4,8 Millionen Euro Lohnkosten pro Monat waren nur ein Beispiel der katastrophalen Vereinsführung um Besitzer Alexandre Gaydamak. Dem Klub wurden nun aufgrund der Liquiditätsprobleme neun Punkte abgezogen. Portsmouth belegt abgeschlagen den letzten Platz der Premier League.

Die traurigen Fälle von englischen Vereinen, die von Investoren ausgenommen wurden, häufen sich. Gibt es einen Umdenkprozess im gelobten Land des Fußball-Geldflusses? »Früher hat sich keiner darum geschert, wer den Verein führte. Die Ereignisse der letzten Monate haben das geändert«, meint Dave Boyle von der vereinsübergreifenden Organisation »Supporters Direct«. Er meint weiter: »Das System hat uns ausgeknockt, da wir keine Vertreter der Fans in den Vereinen haben.«



Eben dieses Mitspracherecht der Anhänger visieren auch die Man-United-Kritiker an. Die »Red Knights«, mit denen die Grün-Goldenen zusammenarbeiten, wollen keineswegs den Klub übernehmen, sondern ihn zunächst aus den Klauen Glazers befreien. »Sie sind echte Fans von Manchester und bereit, von dem Geld, das sie investieren, nur wenig zurückzuverlangen«, meint Drasdo.

Das alles hat also etwas von einer Geiselbefreiung. Ein Modell des von der Basis geleiteten Vereins als Gegenentwurf zum Glücksrittertum der vergangenen Jahre ist der Traum. Bei Uniteds Lokalrivalen Manchester City strahlen die Leute noch über die Gelder, die sie von Scheichs erhalten. Die lange Zeit der Citizens ohne Titel erhöht die Akzeptanz für Geldgeber – egal woher. Drasdo kann da nur warnen, auch wenn er aus ersichtlichen Gründen wenig Mitgefühl mit dem Lokalrivalen haben dürfte. »Es wird so laufen wie überall: Diese Scheichs werden mehr Geld aus dem Klub herausziehen, als sie hineinstecken.«

Fußballvereine erscheinen hierbei in den Augen der Investoren als Unternehmen, die Geld abzuwerfen haben. Eine Entwicklung, die United-Fan Steve Powell gegenüber »EuroNews« so kommentiert: »Du kannst Fußballvereine nicht wie Unternehmen behandeln. Es geht um Fans. Man kann den Supermarkt wechseln, man kann den Job wechseln, man kann sogar die Freundin wechseln – aber nicht seinen Verein.«