FOOTBALL`S COMING HOME... UNSER GELIEBTER FUßBALL AUS DEN UNTEREN LIGEN


Berichte über unseren geliebten Amateur-Fußball aus dem Herzogtum Lauenburg, der Hansestadt Lübeck und der Verbandsliga Süd-Ost... und natürlich aus dem Mutterland des Fußballs...

Montag, 8. Oktober 2007


Beckham wird beharrlich zur Ikone stilisiert, ist jedoch in den Augen der Fans mitnichten eine. Wie sieht die perfekte englische Karriere denn aus? Matthias Paskowsky hat sich in schlaflosen Nächten Gedanken gemacht – und Gott gefunden… Robbie Fowler.

Ruhiger Nachtschlaf ist eine Quelle des Glücks. Meine ist seit langem versiegt. Zu schwer lastet die amtliche Bürde des Englandexperten auf meiner Seele. Ständig werden Probleme kosmischer Komplexität an mich heran getragen. Kürzlich konfrontierte mich eine treue Leserin mit der Frage: »Warum ist der Becks so doof?« Kapitulation. Sicher, in Interviews wirkt er meist so eloquent, als hätte man einen leicht anästhesierten Jan Ullrich nach der Heisenbergschen Unschärferelation befragt. Beurteilen kann ich die geistige Potenz Beckhams deshalb noch lange nicht. Die Frage wirft ein ganz anderes Problem auf. Wenn DIE zeitgenössische Ikone des englischen Fußballs auf derart harsche Ablehnung stoßen kann, wie muss er dann sein, der gelebte Traum? Wie sieht – im universellen Bewusstsein – die perfekte englische Fußballerkarriere aus?

Fündig geworden bin ich vielleicht bei Cardiff City, wo sich Robbie Fowler für 15000 Pfund Wochengage in den Ruhestand begleiten lässt. Der Stürmer galt einmal als universellste Angriffshoffnung der Insel. Seit einer Knieverletzung im Jahre 1998 ist diese Hoffnung passé. Ganz große Titel hat er auch nie geholt, es sei denn, man wertet den UEFA-Pokal. Und auch er kennt die Sorge um sein öffentliches Image.

»We all live in a Robbie Fowler House?…«

Doch trotz des Verletzungsknicks und der Nightlife-Schlagzeilen erscheint der Lebensweg des Liverpooler Arbeiterkindes Robert Bernard Fowler wie eine Geschichte aus dem Fußball-Märchenbuch. Wie anders wollte man den Umstand bewerten, dass ihn Talent und Arbeit aus dem Problembezirk Toxteth bis an die Spitze der Fußball Rich List geführt haben? Dort rangiert er aktuell noch auf Rang drei, hinter Becks und Michael Owen. Ungefähr 100 Immobilien nennt er sein eigen. ManCity Fans skandierten gern zur Yellow-Submarine-Melodie: »We all live in a Robbie Fowler House?…«. Trotz seines offenkundigen Reichtums haben sie Fowler jedoch immer als einen der ihren gesehen. Anders als seine beiden undurchschaubaren und unnahbaren Nachbarn auf der Rich List hat Fowler nie den Sympathiebonus der Graswurzeln verloren. Stets trug er sein Herz auf der Zunge oder auf der Brust, auf welcher er auch schon einmal den Aufruf »Unterstützt die 500 entlassenen Werftarbeiter« zeigte und dafür eine Verbandsstrafe kassierte. Aber auch das Lob der Funktionäre verdiente er sich mit seiner Offenheit, als er nämlich einen Elfmeter zurückwies und klarstellte, David Seaman habe ihn gar nicht gefoult.

Praktisch über Nacht war der Teenager zum Star geworden und brauchte Jahre, um die Gesetze des Mediensports Nummer Eins zu verstehen. Häufig gereichte ihm seine impulsive Art zum Nachteil. Nachdem ihn Everton-Fans als »Smackhead« (»Koksbirne«) tituliert hatten, zelebrierte er ein Derby-Tor gegen die Stadtnachbarn, indem er mit der Nase über die Strafraumlinie fuhr. Das fanden Sky und die FA nur wenig familienkompatibel und machten die spontane Entladung der Wut über die Lügengeschichten zum Aufreger. Doch Fowlers Geschichte ist ja gerade deshalb so rund, weil er ihnen widerstanden hat, den üblichen autodestruktiven Versuchungen. Vielleicht besoff er sich hin und wieder an der Unglaublichkeit seines Daseins. Sein Mutterwitz und starke familiäre Bande haben ihn jedoch stets auf dem Teppich gehalten. Fowler ist ein Phänomen und ein Paradebeispiel für Stereotype und ihre Limitierungen. Er ist zugleich Immobilienmogul, Familienvater, Rennpferdbesitzer, Torschützenkönig und dabei immer noch »Scally« – young and working class. Und er hat Spaß an all diesen Rollen. Und weil er ihnen den Traum so wunderbar vorlebt, hat er von seinen Fans den denkbar einfachsten Spitznamen bekommen: »God«.