George Best, für mich einer der größten Fußballer aller Zeiten..., der sehr gerne öffentlich Alkohol konsumierte…, der dann viel zu früh am 25. November 2005 an Multiorganversagen im Alter von nur 59 Jahren im Londoner Cromwell Krankenhaus verstarb.
George Best wurde am 3. Dezember 2005 in Belfast beerdigt. Etwa 100.000 Menschen gaben ihm die letzte Ehre, was dieses Begräbnis zu einer der größten Zeremonien dieser Art in der Geschichte Großbritanniens machte.
Die Premier League verkündete, dass am folgenden Wochenende vor allen englischen Erstligaspielen eine Schweigeminute abgehalten werde, die aber in mehreren Stadien durch die Tradition „ignoriert“ wurde, dass der Verstorbene stattdessen durch einen einminütigen Applaus gehuldigt wird. Das erste Spiel in Old Trafford nach Bests Tod fand im Ligapokal gegen West Browmich Albion statt - dies war der Verein, gegen den Best 1963 debütiert hatte. Bobby Charlton, weitere frühere Spieler seines ehemaligen Vereins und des Gegners West Bromwich Albion hielten vor der Partie gemeinsam mit Bests Sohn Callum die Schweigeminute ab, während Zuschauer Bilder des Verstorbenen in die Höhe hielten.
When did it all go wrong, Georgie?
„Er war der schnellste und zerstörerischste Spieler, den es je gegeben hat. Es gab keinen Mutigeren als ihn,“ sagen Freunde über George Best. Großen Mut bewies er auch Glas: 2005 soff er sich unter die Erde. Wir erinnern uns an das Jahrhundertgenie.
„Sterbt nicht so wie ich,“ schrieb er am Ende mit gelber, zitternder Hand, während seine Organe der Reihe nach ihren Dienst quittierten. „Sterbt nicht so wie ich.“ Sein ganzer Körper war vergiftet, und so schön er einst gewesen war: Lange bevor der Tod ihn abholte, sah er ihm schon verdammt ähnlich. „Sterbt nicht so wie ich.“ Eine sinnlose Warnung (als könnte man es sich aussuchen), die verzweifelte Warnung eines Mannes, der wusste, dass er eine dunkle Ikone war. „Sterbt nicht so wie ich.“ Wer will das schon? Aber leben wie er, das wollen viele. Und vielleicht ist es dann der Preis, so zu sterben wie George Best.
„Obwohl es einen im Grunde einen Dreck angeht, wird man wütend“, schrieb Ulrich von Berg in seinem Nachruf in 11FREUNDE. „Wer auch nach der Lebertransplantation weitersäuft wie tausend Russen, der hat selbst Schuld. Als ob es um Schuld ginge oder darum, wer Mitleid verdient.“ Zu Recht verbannt er damit ethische Überlegungen, die auf Bests Existenz ohnehin nicht anzuwenden sind. Ebenso müßig sind Erklärungsversuche, warum Best anfing, so hart zu saufen, dann immer härter und sich schließlich unter die Erde soff. War es Veranlagung? Der Druck? Lag es in der Familie? Best selbst wollte es ja auch nicht wissen. Der Durst, war der nicht Grund genug?
„1969 habe ich das mit den Frauen und dem Alkohol aufgegeben. Das waren die schlimmsten zwanzig Minuten meines Lebens.“ Dieser Spruch, der heute auf unzähligen T-Shirts angetrunkener Scherzbolde prangt, stammt von George Best, und der hat ihn ernst gemeint. Er war kein angetrunkener Scherzbold, er war der beste Fußballer der Welt, der nebenbei soff, und zwar „weit über das unter britischen Fußballern verbreitete Maß hinaus,“ so Ulrich von Berg. Weiß der Himmel, wie das möglich war: Best war ein Gott mit wehender Mähne, wahnsinnig rasant, expressionistisch dribbelnd, brandgefährlich, beidfüssig, mit einer abgrundtiefen Verachtung für alle Verteidiger - und immer auch bereit, selbst zu grätschen, sogar zu treten, sich irgendwie den Ball zurückzuholen, der ja ihm gehörte, weil er als Einziger mit ihm umzugehen verstand. Sein enger Freund Rodney Marsh sagte einmal über ihn und sein Spiel: „Best war der schnellste, der intelligenteste und der zerstörerischste Spieler, den es je gegeben hat. Es gab keinen Mutigeren als ihn.“
1961 entdeckte ihn Bob Bishop, Späher vom FC Manchester United, auf einem Acker in Belfast, wo er für die Lisnasharragh Intermediate School spielte. Georgie, so riefen ihn alle, war 15 Jahre alt und schon ein „Genie“, wie Bishop Trainer Matt Busby japsend berichtete. Der zuckte nicht mit der Wimper und holte Georgie und seinen Kumpel Eric McMordie nach Old Trafford. Doch beide plagte das Heimweh, und sie büchsten aus. Erst nach 14 Tagen konnte Bests Vater Dickie sie zur Umkehr bewegen. Es sollte nur zwei Jahre dauern, bis Georgie sein Debüt in der ersten Mannschaft gab. An diesem 14. September 1963 sprang „She Loves You“ von den Beatles an die Spitze der englischen Charts, und Best traumatisierte gegen West Bromwich seinen Gegenspieler Graham Williams, der noch Jahrzehnte später sagte: „Zeigt mir endlich mal ein Foto von dem Kerl, ich habe damals immer nur seinen Arsch gesehen.“ In seiner ersten Spielzeit schoss Best sechs Tore, wurde mit ManU Vize-Meister und trat erstmals für Nord-Irland an. In den wenigen intensiven Monaten, in denen das geschah, wurde er zu jener Ikone. Schon länger hatte der Rock’n’Roll danach gestrebt, mit dem Fußballsport eine unheilige Allianz einzugehen. Und Best war der ideale Hybride, „ein Balltreter“, so Ulrich von Berg, „der - nebenbei oder eigentlich - auch so etwas wie ein Popstar war, ein fehlgeleiteter Rock’n’Roller, dem nur die Gitarre abhanden gekommen war. Diese bis dahin nur ersehnte Kombination war für eine bestimmte Generation a dream come true.“
Und schon war George Best seinerseits eine unheilige Allianz eingegangen. Auf einem Jugendturnier in Zürich war er so besoffen gewesen, dass er sich in ein Taxi erbrochen hatte. Das wurde - zumal vom biederen Matt Busby - noch verharmlost und nahm auch tatsächlich erst selbstzerstörerische Ausmaße an, als der ManUs Lokalrivale City den ebenso durstigen Mike Summersbee verpflichtete. Best und Summersbee wurden zu den empörendsten drinking buddies des Königreichs, und kein Mädchen war sicherer vor ihnen als sie vor den Mädchen, wobei Best sich ein ums andere Mal die Visage von einem eifersüchtigen Verlobten polieren lassen musste. „Exakt 276 Tierfiguren befanden sich auf dem Tapetenmuster der Rückwand in Matt Busbys Büro,“ weiß Ulrich von Berg zu berichten - George Best hatte sie während der zahlreichen Moralpredigten des Trainers immer wieder durchgezählt. Viel konnte Busby nicht bewirken: Auf dem Höhepunkt ihres Schaffens eröffneten Best und Summersbee obendrein die obskure Boutique „Edwardia“.
Noch konnte Best die Exzesse kompensieren, nicht zuletzt durch seinen unbändigen Trainingseifer. Seinen auch unter Fachleuten, die sich für Rock’n’Roll oder dergleichen nicht die Bohne interessieren, gültigen Status als Weltklassespieler begründete er am 30. September 1964, als er beim Sieg gegen Tabellenführer Chelsea eines seiner besten Spiele überhaupt bot. „Er trieb seinen Gegenspieler Ken Shellito in einen Wahnsinn, von dem sich dieser niemals erholen sollte,“ erinnert sich Ulrich von Berg. „Er umkurvte mühelos zwei, drei Gegner und setzte dann zu seltsamen Doppelpässen an, einfach indem er den nächsten Konkurrenten in voller Absicht anspielte. Er erzielte auch ein eigentlich unmögliches Tor, in dem er sich in einen Rückpass von Hinton zu Keeper Bonetti mogelte. Best bot all das und noch mehr, aber er machte es anders, selbstverliebter, kreativer und dreister als die unzähligen Fummelkönige.“
Dank George Bests überragenden Könnens, der Ruhe und Verlässlichkeit seines Widerparts Bobby Charlton und der Kompromisslosigkeit und des Instinktes seines Bruders im Geiste Denis Law (gemeinsam bildeten sie die „Holy Trinity“) wurde der FC Manchester United 1966 und 1967 englischer Meister. Mit seinem Führungstreffer im Endspiel des Landesmeisterpokals 1968 ebnete Best den Weg zum 4:1 Sieg gegen Benfica Lissabon. Hinterher sagte er: „Ich habe immer davon geträumt, den Torhüter auszuspielen, den Ball auf der Linie zu stoppen, mich hinzuknien und ihn dann mit dem Kopf ins Tor zu befördern. Gegen Benfica hätte ich das fast getan. Den Keeper hatte ich hinter mir gelassen, aber dann habe ich gekniffen. Der Trainer hätte sicherlich einen Herzinfarkt bekommen.“ ManU war es als erster englischer Mannschaft gelungen, den wichtigsten Vereinspokal zu gewinnen. England lag George Best zu Füßen und wählte ihn zum Spieler des Jahres und zum fünften Beatle. Noch im selben Jahr erwies Europa ihm die gleiche Ehre.
Doch diese in sportlicher Hinsicht glanzvolle Karriere blieb unvollendet. Zwar bestritt George Best 37 Länderspiele und schoss dabei neun Treffer, konnte damit dem ansonsten dürftig besetzten Team nicht zu der Teilnahme an einer Weltmeisterschaft verhelfen. Erst 1982 und 1986 qualifizierte sich Nord-Irland für das Turnier, doch da kickte George Best schon jenseits von Gut und Böse in längst untergegangenen Operettenligen. Den Weg dorthin hatte er recht bald nach dem triumphalen Finale gegen Benfica eingeschlagen. Ab 1969, er war erst 23 Jahre alt, begann sein Stern zu sinken, und auch sein Verein befand sich rasch im freien Fall. „Aber da,“ so Ulrich von Berg, „war man schon unbescheiden geworden, wollte partout nicht einsehen, dass er für genug Wirbel gesorgt und dem britischen Fußball einen Innovationsschub verpasst hatte, der - rückblickend betrachtet - geradezu ungeheuerlich war.“ Best erschien immer öfter in desaströsem Zustand zum Training und begann sogar, Spiele zu schwänzen. Er war untragbar geworden und niemand, der ihn seiner besten Zeit erlebt hatte, konnte seinen Verfall mit ansehen. Ein Page, der Anfang der 70er Jahre mit dem Frühstück in Bests Hotelzimmer kam und ihn dort betrunken inmitten von lose herumliegendem Bargeld und leeren Flaschen vorfand, soll ihn angeschrieen haben: „Wann ist denn bloß alles schiefgelaufen, Georgie?“
Und es lief weiter schief. 1974 hatten die Verantwortlichen die Faxen dicke. Nach 466 Spielen und 178 Toren durfte Best nicht mehr für ManU auflaufen. Zwar zeigte er auf seinen Stationen in Los Angeles oder San José noch Spuren seines Könnens, doch all das muss als unwürdiger Epilog seiner Karriere angesehen werden. Erst 1984 fand sie ein viel zu spätes Ende. Ein honoriger Sportbotschafter ist Best danach nicht geworden. Wer hatte das auch allen Ernstes erwartet? Ungern wollte die FIFA sich aufs Buffet kotzen lassen, und die Fußballunternehmer Pelé und Beckenbauer lupften sich auf den Galas lieber allein die Bälle zu. Georgie war’s recht, so konnte er ungestört weiter- und immer weitersaufen. „Sterbt nicht so wie ich.“ Die sinnlose Warnung, wie gesagt, eines Mannes, der eben dieses Sterben mit brutaler Konsequenz vorangetrieben hatte. „Sterbt nicht so wie ich.“ Was sollten die Hunderttausend, die seinen Sarg säumten, mit diesem Testament anfangen? „Sterbt nicht so wie ich.“ Vielleicht war es Reue, wenn auch allzu spät. „Sterbt nicht so wie ich.“ Einer immerhin hat ihm den Gefallen getan: Sein alter Vater Dickie, der aus Belfast an sein Bett geeilt war. Er war immer sein größter Fan gewesen.