Der schwule Junge aus der Provinz
(aus: 11freunde)Heute startet in Dublin die zweite schwul-lesbische
Europameisterschaft. Mit dabei: Tony Quindt, ein junger Fußballer aus der
Hamburger Provinz, der sich bereits vor Jahren öffentlich outete. Wie ist es
ihm seither ergangen? Elmenhorst. Amt Schwarzenbek-Land,
Kreis Herzogtum Lauenburg in Schleswig-Holstein. Alles andere als eine
Schwulen-Hochburg. Hier wohnt Tony Quindt. Er spielt auf der Sechser-Position
für den heimischen Fußballverein – und er ist schwul. Ein Paradiesvogel? Ein
Sonderling? Mitnichten. Tony Quindt ist sogar eine kleine Berühmtheit im Ort,
immerhin vereint er auf seiner Fanseite auf Facebook genauso viele Menschen wie
Elmenhorst Einwohner hat: rund 900. Der 27-Jährige kämpft für Akzeptanz, auch
öffentlich: »Fußball spielen und schwul zu sein, ist kein Widerspruch! Ich
hoffe, dass meine Geschichte vielen anderen Mut macht, sich zu outen.«
Eines Tages stellte
er einen jungen Mann als »meine Frau« vor
Diese Geschichte, die Tony Quindt meint, beginnt im
Frühjahr 2008. Auf einer Geburtstagsfeier eines Mannschaftskollegen stellte er
einen jungen Mann, den keiner kannte, als »meine Frau« vor. So richtig ernst
nahmen ihn seine Kameraden nicht. Das sollte sich wenige Tage später ändern.
Als ein Kamerateam des Norddeutschen Rundfunks (NDR) auf dem Sportgelände der
S.I.G. Elmenhorst gesichtet wurde und mit Quindt ein Interview führte, war das
Versteckspiel vorbei. »Schaut’s euch einfach morgen im Fernsehen an«,
antwortete er verlegen auf die neugierigen Nachfragen. Dass der gesamte Verein
die Sendung mit dem offiziellen Coming out am Fernsehgerät verfolgte –
Ehrensache. Wir sind in Elmenhorst, Amt Schwarzenbek-Land. 900 Einwohner.
Bislang hat sich kein deutscher Profi-Fußballer zu seiner
Homosexualität bekannt. Auch in den unteren Klassen, wo jedes Wochenende rund
drei Millionen Hobbyfußballer dem Ball nachjagen, wird das Thema gerne
totgeschwiegen, traut sich kaum jemand aus der Deckung. Vor allem in ländlichen
Gebieten, wo jeder jeden kennt, ist der Konformitätsdruck bekanntermaßen
besonders stark. Junge Dorfkicker erlernen deshalb nicht nur den versierten
Umgang mit dem Ball, sondern auch das Vermeiden all dessen, was als schwul wahrgenommen
werden könnte. Fußball ist Männersport. Mit Grasflecken auf den Shorts,
blutigen Knien und dem Geräusch des Leders, wenn es an den Pfosten kracht. Eben
eine Bastion echter Kerle, die keine Andersartigkeit duldet. Ist das wirklich
so?
Angst vor Ablehnung hatte anfangs auch Tony Quindt. Doch es kam ganz anders. Seine Mitspieler reagierten überraschend offen auf das Coming out: »Alle haben das sofort akzeptiert, keiner verhält sich seitdem anders zu mir«, sagt er. Und fügt hinzu: »Auch in der Dusche guckt keiner betreten weg.« Die Erleichterung über den Schritt ist auch heute noch zu spüren: »Jetzt fühle ich mich wohl“, sagt Quindt, „mir ist damals ein Stein vom Herzen gefallen, endlich war der ganze Druck von mir weg.« Sein Teamkollege Ulf Stuhlmacher gesteht allerdings: »Es war am nächsten Tag schon das Thema Nummer eins. Viele hätten das nicht gedacht und waren perplex.«
Angst vor Ablehnung hatte anfangs auch Tony Quindt. Doch es kam ganz anders. Seine Mitspieler reagierten überraschend offen auf das Coming out: »Alle haben das sofort akzeptiert, keiner verhält sich seitdem anders zu mir«, sagt er. Und fügt hinzu: »Auch in der Dusche guckt keiner betreten weg.« Die Erleichterung über den Schritt ist auch heute noch zu spüren: »Jetzt fühle ich mich wohl“, sagt Quindt, „mir ist damals ein Stein vom Herzen gefallen, endlich war der ganze Druck von mir weg.« Sein Teamkollege Ulf Stuhlmacher gesteht allerdings: »Es war am nächsten Tag schon das Thema Nummer eins. Viele hätten das nicht gedacht und waren perplex.«
»Ich habe es selbst erlebt, wie
befreiend ein Outing sein kann«
Tony Quindt ist stolz. Auf sich. Aber auch auf seine Mannschaft.
»Meine Mitspieler sind toll mit meinem Outing umgegangen, sie stehen zu mir und
akzeptieren mich als Mensch.« Das ist sicher ein Grund, wieso Quindt heute
selbstbewusst und offensiv mit dem Thema umgeht. Nicht nur auf seiner Fanseite
will er sich einsetzen. Für mehr Mut. Für Toleranz. Für Akzeptanz. »Ich habe es
selbst erlebt, wie befreiend ein Outing sein kann«, will er seine Erfahrungen
an andere weitergeben. Rückblende: Der in einer Kleinstadt in Sibirien geborene
Tony Quindt ist gerade 16, als er gemeinsam mit seinen aus Kasachstan
stammenden Eltern und seinen beiden älteren Schwestern nach Deutschland kam.
Kurze Zeit später landete die Spätaussiedler-Familie in Elmenhorst.
Deutschkenntnisse? Fast nicht vorhanden. Zwei Jahre lang traut sich Tony
deshalb auch nicht, dem Fußballverein beizutreten. Doch er schaut sich die
Trainingseinheiten an. Immer wieder. Mit 18 fühlt er sich sicher genug. Quindt
galt in seiner alten Heimat als Talent, zog sich bei einem regionalen
Auswahlturnier aber einen Mittelfußbruch zu. Er wollte die Heilung
beschleunigen, spielte gegen den ärztlichen Rat – und brach sich erneut den
Fuß. 2011 lernte er einen Altenpfleger aus Barcelona kennen
Drei Jahre später also der Neuanfang. Damals spielte
Elmenhorst in der Kreisklasse A. Ein ganz normaler Fußballverein eben. Und auch
Tony Quindt lebte ein »normales« Leben. Mit 20 hatte er eine Freundin. Sechs
Monate lang. Doch in dieser Zeit lernte er einen Mann kennen, seinen späteren
Freund, mit dem er dreieinhalb Jahre lang eine Beziehung führte. Sie
scheiterte, trotz des gemeinsamen und für die Zukunft so bedeutsamen Auftritts
bei der Geburtstagsfeier des Mannschaftskollegen. 2011 lernte der Altenpfleger
per Internet einen in Barcelona lebenden Brasilianer kennen. Gegenseitige
Besuche, der Entschluss, es gemeinsam zu versuchen, eine gemeinsame Wohnung in
Elmenhorst. Im April 2013 gründeten die beiden eine Lebenspartnerschaft.
Seine »Flitterwochen« feiert Tony Quindt im Juni in der irischen Hauptstadt Dublin. Bei der schwul-lesbischen Europameisterschaft (siehe Infos unten) verstärkt er das Team der Ballboys Hamburg. Anders als bei der S.I.G. Elmenhorst, wo er als Abräumer vor der Abwehr fungiert, soll er bei den Hamburgern als Spielmacher das Kreativzentrum beleben. Natürlich, so Quindt, sei es ein großer Unterschied, ob man in einem normalen Dorfverein oder in einer schwulen Mannschaft Fußball spiele. »Den Ballboys habe ich viel zu verdanken, sie haben es mir erst ermöglicht, in der Gemeinschaft aus mir rauszugehen.« Er ist sich sicher: Ohne die Ballboys hätte er sich wohl immer noch nicht geoutet. Dass neben dem Spaß und dem Wiedersehen mit den Akteuren anderer Mannschaften auch der Fußball eine wichtige Rolle in Dublin spielen wird, ist Quindts Ehrgeiz geschuldet. »Ich will da natürlich auch etwas erreichen, immerhin ist das eine Europameisterschaft.«
Sein Ehrgeiz ist ansteckend. Und seine Offenheit. Schwule Fußballer gibt es nicht? Tony Quindt mag in diesem Hort archaischer Männlichkeit eine Ausnahme sein. Aber er weiß, dass er nicht allein ist. Er setzt sich ein. Unprätentiös, aber selbstbewusst. Oder wie es auf seiner Fanseite so schön heißt: »Ich hoffe, dass meine Geschichte vielen anderen Mut macht, sich zu outen.« Der Junge aus der Provinz hat es vorgelebt.
Seine »Flitterwochen« feiert Tony Quindt im Juni in der irischen Hauptstadt Dublin. Bei der schwul-lesbischen Europameisterschaft (siehe Infos unten) verstärkt er das Team der Ballboys Hamburg. Anders als bei der S.I.G. Elmenhorst, wo er als Abräumer vor der Abwehr fungiert, soll er bei den Hamburgern als Spielmacher das Kreativzentrum beleben. Natürlich, so Quindt, sei es ein großer Unterschied, ob man in einem normalen Dorfverein oder in einer schwulen Mannschaft Fußball spiele. »Den Ballboys habe ich viel zu verdanken, sie haben es mir erst ermöglicht, in der Gemeinschaft aus mir rauszugehen.« Er ist sich sicher: Ohne die Ballboys hätte er sich wohl immer noch nicht geoutet. Dass neben dem Spaß und dem Wiedersehen mit den Akteuren anderer Mannschaften auch der Fußball eine wichtige Rolle in Dublin spielen wird, ist Quindts Ehrgeiz geschuldet. »Ich will da natürlich auch etwas erreichen, immerhin ist das eine Europameisterschaft.«
Sein Ehrgeiz ist ansteckend. Und seine Offenheit. Schwule Fußballer gibt es nicht? Tony Quindt mag in diesem Hort archaischer Männlichkeit eine Ausnahme sein. Aber er weiß, dass er nicht allein ist. Er setzt sich ein. Unprätentiös, aber selbstbewusst. Oder wie es auf seiner Fanseite so schön heißt: »Ich hoffe, dass meine Geschichte vielen anderen Mut macht, sich zu outen.« Der Junge aus der Provinz hat es vorgelebt.
Die schwul-lesbische Fußball-Europameisterschaft findet
vom 13. bis 16. Juni 2013 auf dem Universitätsgelände in Dublin (Irland) statt.
Es sind die zweiten Wettkämpfe dieser Art nach 2011 in Manchester (England).
Veranstalter ist der internationale schwul-lesbische Fußballverband (IGLFA),
ausgerichtet wird das Turnier von den Dublin Devils. Insgesamt nehmen 20
Herren- und acht Frauenteams an den Spielen teil. Aus Deutschland reisen die
Frauen von Magix Berlin auf die grüne Insel, bei den Herren die Ballboys aus
Hamburg und das Team Vorspiel aus Berlin. Die Veranstalter rechnen mit 600
Spielern, Trainern und Offiziellen aus England, Irland, Deutschland, Schweden,
Italien, Frankreich und Russland. Bei den Frauen nimmt zudem ein Team aus
Boston (USA) an den Spielen teil. www.euro2013dublin.com
Der Autor + Foto: Dirk A. Leibfried (45) arbeitet
als freier Journalist und Autor in Kaiserslautern. Er veröffentlichte im Herbst
2011 gemeinsam mit Andreas Erb das Buch »Das
Schweigen der Männer – Homosexualität im deutschen Fußball« (erschienen
im Werkstatt-Verlag). Bei der schwul-lesbischen Fußball-Europameisterschaft in
Dublin wird Leibfried als Schiedsrichter fungieren.