In Nottingham war der Hund begraben – bis Brian Clough kam und Forest zum Europacup-Sieg führte. Und nicht nur das: Er trieb den Engländern das Kick and Rush aus. Gott habe, so Clough, den Rasen ja schließlich nicht in den Himmel gepflanzt.
Den Moment des größten Triumphes kostete Brian Clough nicht aus. Als Nottingham Forest den Landesmeisterpokal 1979 gewonnen hatte und zu Hause von 100.000 Fans empfangen wurde, war das Trainergenie bereits wieder in seinem Feriendomizil auf Kreta. Lediglich für den Abend des Finales hatte er seinen Urlaub kurz unterbrochen. Eine bezeichnende Anekdote aus dem Leben des wohl größten englischen Trainers.
Als Sohn eines Süßigkeiten-Fabrikarbeiters wuchs er in der ostenglischen Industriemetropole Middlesbrough auf. Für deren bekanntesten Verein, den FC Middlesbrough, debütierte er 1955 als Mittelstürmer. Seine Laufbahn sollte eine kurze, aber beeindruckende sein: Bevor ihn eine Knieverletzung zum Invaliden machte, erzielte er in sieben Jahren sagenhafte 251 Tore in 274 Partien für »Boro« und den FC Sunderland.
Legendenbildung
Clough, der bereits im Alter von 15 Jahren die Schule verlassen hatte, blieb nichts anderes als der Sport, dem er verfallen war. Die Verletzung zwang ihn, im Alter von 27 Jahren erneut die Schulbank zu drücken. Diesmal hatte er jedoch mehr Spaß am Lernen, schließlich gehört Algebra nicht auf den Lehrplan für angehende Trainer. Seine ersten Sporen als Coach verdiente er sich bei Hartlepool United und wurde mit nur 30 Jahren der jüngste Ligatrainer überhaupt. Damals bereits an seiner Seite: Peter Taylor, Freund und kongenialer Partner. Sie schafften es, den Verein innerhalb von drei Jahren aus der siebten in die vierte englische Liga zu führen. Das Fundament der Legende Cloughs war gegossen, es folgte die Grundsteinlegung in Derby. County darbte bereits seit 16 Jahren in der »Second Division«, der damaligen zweiten englischen Liga – bis Clough und Taylor 1967 antraten und für eine nie gekannte Euphorie sorgten. Zwei Jahre später gelang die Rückkehr ins britische Oberhaus und 1972 gar der Gewinn der ersten Meisterschaft für die»Rams«.
Doch selbst dieser Erfolg sowie das Erreichen des Landesmeisterpokal-Halbfinales im folgenden Jahr konnten nicht die Entlassung Cloughs verhindern. Grund waren seine Äußerungen in Richtung Juventus Turin nach dem Halbfinale (»betrügerische Bastarde») sowie seine Kritik am englischen Fußballestablishment, mit dem er sich zeit seines Lebens anlegte. Auch ein Grund übrigens, warum Clough nie Nationaltrainer wurde. Seine Entlassung in Derby jedenfalls führte zu Protestmärschen aufgebrachter Fans. Vergebens.
Einmal Underdog, immer Underdog
Lediglich zwei Wochen später heuerte Clough beim Drittligisten Brighton & Hove Albion an. Wunder sollte er dort keine vollbringen, und so blieb Brighton nur eine kurze Episode. Beendet wurde sie durch einen Lockruf aus Leeds. United hatte gerade seinen Coach Don Revie ans Nationalteam verloren und bot dessen Posten nun Clough an. Er folgte der Offerte. Mit vielen Vorschusslorbeeren bedacht, übernahm er zur Saison 1974/1975 die Geschicke des Clubs. Möglicherweise wählte er bereits die falschen Antrittsworte, als er den Spielern mitteilte, dass sie all ihre bisherigen Erfolge vergessen können, da diese unfair erzielt wurden. Sätze, die Kicker nicht gerne hören, die vor kurzem den FA-Cup sowie den Messe-Pokal gewonnen hatten.Nur 44 Tage später waren es dann auch die Spieler, die Cloughs Abgang durch einen Streik besiegelten. Leeds blieb ein Intermezzo, Clough und der große Traditionsverein passten nicht zusammen.
Doch war das verwunderlich? Cloughs Stärke war es, aus Underdogs Sieger zu formen. Dafür verehren ihn die Fußballfans bis heute. Mehr als nur einmal bemühte er die »David gegen Goliath»-Geschichte. Leeds aber war mit Stars gespickt und befand sich in einer Favoritenrolle. Genau in jener Positon also, gegen die Clough als Kämpfer der Unterdrückten stand. Rückblickend betrachtet, musste diese Episode zum Scheitern veruteilt sein. Vielleicht wusste das auch Clough selbst. Doch erst das Missverständnis von Leeds brachte ihm die endgültige Selbsterkenntnis. Da schien das Angebot von Nottingham Forest wie gerufen zu kommen.
Bestätigung in Nottingham oder: Das Meisterstück Bereits zur Rückrunde saß er wieder auf der Trainerbank. Diesmal eine Etage tiefer, bei Nottingham Forest. Forest pendelte zu dieser Zeit zwischen Liga eins und drei. Erfolge wie der FA-Cup Gewinn von 1959 waren mittlerweile verblasst, und das Mittelmaß war längst zum dauerhaften Begleiter geworden. Unter Clough setzten sie sich ab 1977, als der Wiederaufstieg gelang, in der »First Division« (damals die höchste Spielklasse Englands) fest. Besser noch: Dem Team, das niemand auf der Rechnung hatte, gelang in ihrem ersten Jahr nach dem Aufstieg der Gewinn der Meisterschaft. Ein Husarenstreich, der bis heute keiner anderen Mannschaft gelingen sollte. Und das Beste lag noch vor ihnen: In der Folgesaison besiegten sie im Liga-Cup-Finale den zu dieser Zeit alles dominierenden FC Liverpool und triumphierten gar im Finale des Landesmeisterpokals 1979 über Malmö. Nottingham lag Clough zu Füßen, doch als die Mannschaft heimkehrte, blieb sein Platz im Flieger leer. Brian Clough zog ja ein Sonnenbad auf Kreta dem Bad in der Menge vor.
Exakt ein Jahr später sollte Forest dieser Triumph ein weiteres Mal gelingen und Brian Clough unsterblich machen. Im Finale von Madrid besiegten sie den Hamburger SV mit 1:0. Ein Triumph, der Kenny Burns, Verteidiger in den Reihen der großen Forest-Elf, zu der Aussage brachte: »Sir Alf Ramsey gewann die Weltmeisterschaft. Was Brian Clough erreichte, war noch viel beeindruckender.» Das Bemerkenswerteste: Clough selbst trat höchst selten auf dem Trainingsplatz in Erscheinung. Diese Arbeit überließ er seinen Assistenten. Cloughs Weitblick in seinen Entscheidungen machte sein Genie aus. Der ehemalige Forest-Stürmer Gary Birtles fasst es knapp zusammen: »Brian Clough wusste im rechten Moment, was zu tun ist.» In einer Zeit, als der britische Fußball das »Kick and Rush» kultivierte, war es Clough, der in seiner gewohnt lakonischen Art feststellte: »Falls Gott wollte, das Fußball in den Wolken gespielt wird, dann hätte er keinen Rasen auf dem Boden wachsen lassen.» Folglich überzeugte Forest durch rasch vorgetragene Kurzpässe sowie einem tötlichen Spiel über die Außen. Nottingham sollte seine letzte Trainerstation sein. Große Titel, abgesehen vom zweimaligen Gewinn des Liga-Pokals am Ende der 1980er, gelangen ihm nicht mehr. Als er 1993 seinen Job an den Nagel hing, war er bereits der am längsten bei einem Verein aktive Trainer in der ersten Liga. Bezeichnend, dass Forest mit dem Ende der Clough-Ära in die zweite Liga abstieg. Bis heute ist Nottingham Forest der einzige Verein, der häufiger den Landesmeisterpokal errungen hat als die nationale Meisterschaft.
Legendenkultivierung
Um den Meistertrainer wurde es in den folgenden Jahren eher still, was sehr seinem gesundheitlichen Zustand geschuldet war. Ein jahrzehntelanger Alkoholmissbrauch fordert seinen Tribut. Einzig als TV-Experte sah man ihn noch auf der großen Bühne. Dort aber gewohnt bissig und unterhaltsam. Anfang 2003 erhielt er eine neue Leber, die sein Leben verlängerten sollte. Eineinhalb Jahre schenkte sie ihm noch, bevor er im Alter von 69 Jahren im September 2004 an Magenkrebs verstarb.
Die Meldung seines Todes löste landesweite Trauer aus, und kaum eine englische Fußballgröße verzichtete auf eine Lobhuldigung des sympathisch kauzigen Trainergenies. Bald drei Jahre sind seit seinem Tod vergangen, und die Legende von »Cloughie« lebt weiterhin: In Songtexten britischer Bands, im Namen von Trambahnlinien, Straßen und Plätzen. Seit kurzem existiert gar eine Clough-Statue in Derby, finanziert aus Spenden von Fans. In Zeiten, da die englische Meisterschaft nur noch unter wenigen Clubs ausgespiet wird, sehnen sich die Fußballanhänger nach Charakteren wie Brian Clough, die den Großen ein Bein stellen.