Manchmal braucht man einfach krasse Gegensätze und die maximal mögliche Distanz, um klarzusehen und um mit sich selbst und der Welt wieder ins Reine zu kommen. Ein extremes Kontrastprogramm eben, so eines, wie es sich kürzlich Howard Webb ausgesucht hat. Der FIFA-Schiedsrichter meldete sich freiwillig, um das Pokalspiel zwischen den Pub-Teams des Thrybergh Working Men’s Club und Wickersley Social zu pfeifen. Es war Webbs erstes Spiel nach der Leitung des Endspiels der XIX. Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika. Hatten dem Endspiel des Weltturniers zwischen Spanien und den Niederlanden noch 84.490 Stadionbesucher n der Soccer City von Johannesburg und weltweit mehr als 700 Millionen Zuschauer an den TV-Geräten live beigewohnt, bildeten Ende August auf dem Sportplatz von Rotherham in der englischen Grafschaft South Yorkshire exakt 20 Zuschauer und ein Hund die Kulisse für das Duell der Kneipen-Mannschaften.
„Ich brauchte einfach ein gutes Spiel, um für meine Rückkehr in die Premier League bereit zu sein“, begründete Webb sein ungewöhnliches Comeback. Die Ortswahl für seine persönliche „Erdung“ war dann auch alles andere als zufällig. Das Spiel fand just auf dem Rasenplatz statt, auf dem die steile Karriere des FIFA-Referees 18 Jahre zuvor begonnen hatte – „Wiedersehen in Howard’s End“ sozusagen. Die „Rückkehr zu den Wurzeln“ verfehlte ihre Wirkung nicht. Sie half Webb, die zuvor in Südafrika erlebten „schlimmsten Stunden“ seiner Karriere zu verarbeiten. In der äußerst nickelig und zum Teil überhart geführten Finalpartie von Johannesburg hatte der Schiedsrichter einen extrem schweren Stand und nicht immer eine souveräne Figur gemacht. Kritiker warfen ihm später vor, ohne klare Linie agiert zu haben. Obwohl er sogar noch einen platzverweiswürdigen Kung-Fu-Tritt ungeahndet ließ, stellte Webb mit 14-mal Gelb und einmal Gelb-Rot einen neuen, unrühmlichen Kartenrekord für WM-Finals auf.
Beim 3:0 von Wickersley in Rotherham hingegen länzte Webb wieder durch seine persönliche Autorität und war sich auch nicht zu schade, an der Suche nach dem Spielgerät mitzuwirken, als dieses nach einem misslungenen Gewaltschuss minutenlang im hohen Gras am Seitenrand verschwunden war. Seine Karten konnte der Schiedsrichter dieses Mal in Brust- und Gesäßtasche stecken lassen. Angesichts der fairen und gut zu leitenden Partie nahm Webb leichte finanzielle Einbußen gern hin: Verdiente er bei der WM insgesamt 36.000 Euro, waren es beim Kneipen-Kick in Rotherham lediglich 24, die der 39-jährige Polizei-Sergeant umgehend für wohltätige Zwecke spendete.